Auch Athleten leiden am “Leaky gut Syndrom”
Magen-Darmprobleme treten bei Hochleistungssportlern und speziell Ausdauerathleten generell sehr häufig auf. Aus diesem Grund ist die kürzlich von einer englischen Arbeitsgruppe publizierte Studie für uns besonders interessant. Sie unterstreicht eindrucksvoll das protektive Potenzial von Colostrum/Biestmilch auf die Magen- und Darmschleimhaut und die Bedeutung eines “Leaky gut Syndroms” für die Entstehung der Magen-Darm-Symptome bei Athleten. Die Studienergebnisse stimmen mich sehr zufrieden und zuversichtlich, denn ich habe diese Wirkung der Biestmilch, die aus Bereichen der Medizin bereits bekannt war, bei Athleten oft hervorgehoben, bin jedoch auf wenig Resonanz gestoßen. Vielleicht ändert sich dies ja jetzt.
Die Aufgabe des Magen-Darm-Traktes ist nicht nur Nahrung zu verdauen, seine Schleimhäute sind selektive hochaktive Kommunikatoren zwischen der Außenwelt und dem Körperinneren. Bei einer Ausdauerleistung bewegt man sich einem schmalen Grad, einerseits Nahrungbestandteile aufzunehmen und andererseits solche Verbindungen außerhalb zu halten, die das Gleichgewicht des Körpers und damit das Wohlbefinden gefährden könnten. Es ist enorm wichtig zu wissen, dass unter normalen Umständen gut verträgliche Nährstoffe unter starker Belastung zu Substanzen werden können, die Magen-Darm-Probleme hervorrufen können. Kohlenhydrate sind hierfür ein gutes Beispiel. Eine zu hohe Konzentration über einen sehr kurzen Zeitraum aufgenommen, kann schädlich sein und zu Magen-Darm-Problemen führen. Ob eine Substanz zu einem bestimmten Zeitpunkt Freund oder Feind ist, hängt davon ab, wie stressbelastet das jeweilige Mikromilieu gerade ist. Wenn die Aktivität des Stresssystems sehr hoch ist, dann beeinflusst dies maßgeblich die Durchlässigkeit der Darmsschleimhaut.
Die Durchlässigkeit der Magen- und Darmschleimhaut reagiert auf verschiedene Stressfaktoren sehr empfindlich. Ausgeprägte Störungen an dieser Grenzfläche lösen eine Immunantwort aus, die, sind die Kontrollmechanismen des Immunsystems bzw. Stress-Systems geschwächt, zu einem Entzündungsprozess mit Folgen werden kann. Zu den Stressfaktoren, die die Permeabilität der Magen- Darmschleimhaut unterschiedlich stark verändern, gehören Krankheit, ph-Wert-Verschiebungen, extreme sportliche Belastung, Zell-Läsionen aufgrund einer erhöhten Körpertemperatur, aber auch Alkoholkonsum oder die Zusammensetzung der Nahrung.
Immunmoleküle wie z.B. Zytokine werden freigesetzt und tragen u.a. dazu bei, dass die Durchlässigkeit des Magens und Darms insgesamt zunimmt, vor allem während und nach dem Laufen ist dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt. Dann können Substanzen durch das Zellgewebe dringen, die dort sonst nicht durchdringen könnten. Die Durchlässigkeit verändert sich in einer Art und Weise, dass größere Moleküle durchrutschen, die dann die Blut- oder Lymphgefäße erreichen und so in die großen Kreislauf gelangen.
Die Situation des Athleten im Speziellen
Verschiedene Stressfaktoren beeinträchtigen die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der intestinalen Grenze
Lang andauernde, erschöpfende Anstrengungen, Hitzestress oder Medikamente wie nichtsteroidale Entzündungshemmer (unter Athleten sehr gebräuchliche Painkiller) sind nur einige der vielen Stressfaktoren, die die Funktionen der Schleimhaut beeinträchtigen. Wenn die Integrität des Magens oder Darms gestört ist, dann ist dies ungeachtet der Ursache mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Magen-Darmschleimhaut verbunden. Neben exogenen Irritationen führen eine reduzierte Blutversorgung des Magen-Darm-Traktes, hormonelle Veränderungen sowie eine erhöhter Körpertemperatur zu Permeabilitätsstörungen. Symptome, die die Athleten dann plagen, sind Krämpfe, Durchfall, Blähungen, Übelkeit und Blutungen, für Ausdauersportler und vor allem für Langdistanz-Athleten wie Triathleten geläufige Probleme.
Man weiss heute, dass ein fehlreguliertes Stresssystem mit nachfolgendem “Leaky gut Syndrom” maßgeblich an der Entwicklung dieser Symptome beteiligt ist. Dennoch liegt die detaillierte wissenschaftliche Aufklärung der Prozesse, die diesen Magen-Darm-Störungen zugrunde liegen, noch in weiter Ferne. Hypothesen, die die Symptome zu erklären versuchen, habe ich oben bereits kurz erwähnt. Das “Leaky-gut-Syndrom” fasst alle die Phänomene zusammen, die auf eine erhöhte Darmdurchlässigkeit zurückzuführen sind. Die Physiologie dahinter ist komplex: eine Reduzierung des Blutflusses während der körperlichen Belastung, pH-Verschiebungen, eine erhöhte Kerntemperatur, Scherkräfte durch die Bewegung, vermehrte Freisetzung freier Sauerstoff-Radikale, Aktivierung von Immunzellen und Freisetzung von Immunfaktoren, ein überaktives autonomes Nervensystem und vieles mehr.
Sehr intensives Training und natürlich die Wettkämpfe aktivieren das Stresssystem. Die Aktivität des autonomen (sympathischen) Nervensystems nimmt zu. Stresshormone wie Adrenalin, Cortisol und Hormone, die die Flüssigkeitsbilanz regulieren (Vasopressin), verändern ihre Freisetzungs- und Aktivitätsprofile. Die Aktivität des Immunsystems verändert sich sowohl auf der Ebene der Zellen also auch der freigesetzten Moleküle (Zytokine etc.). Wenn das Zusammenspiel dieser Vielzahl an Regulationsprozessen unkontrolliert abläuft, die strenge zeitliche Koordination verloren geht, dann kommt es je nach Ausmass der Regulationsstörungen zu milden oder auch schweren Störungen der Magen-Darm-Funktion. Das Phänomen eines “Leaky gut”, einer gestörten Durchlässigkeit von Magen- und Darmschleimhaut, liegt in der Regel immer vor, wenn es zu Symptomen im Bereich des Magen-Darm-Traktes kommt.
Biestmilch ist ein natürliches Produkt mit dem erstaunlichen Potenzial, die Magen-Darm-Schleimhaut zu stabilisieren und sie damit stress-resistenter zu machen.
Die pharmakologischen Optionen, um die Symptome geschweige denn die Ursachen zu behandeln, sind vor allem im Wettkampfsport sehr limitiert, deshalb gibt es zunehmend größeres Interesse an natürlichen Substanzen. Eine solche Substanz ist Colostrum vom Rind (Biestmilch). Playford und seine Mitarbeiter entwarfen nun ein Studiendesign um herauszufinden, ob Biestmilch die Durchlässigkeit der Magen-Darmschleimhaut positiv beeinflussen kann.
Biestmilch/Colostrum ist besonders reich an Immunglobulinen, antimikrobiellen Peptiden (z. B. Laktoeferrin, Laktoperoxidase) und anderen bioaktiven Molekülen wie den Wachstumsfaktoren, die für die Zellregeneration unverzichtbar sind.
Raymon J. Playford hat bereits vor einigen Jahren aufgezeigt, dass ein kommerziell erhältliches Colostrum-Präparat* vor durch NSAID**-induzierten Läsionen im oberen Magen-Darmtrakt schützen kann. Schon seit längerem wird vermutet, dass Biestmilch/Colostrum die im Rahmen von Hochleistungssport und Ausdauersport auftretenden Regulationsstörungen im Bereich der Magen- und Darmschleimhaut zu modulieren vermag, jedoch fehlte bis heute der Beweis.
Jetzt hat die Gruppe um Playford eine Studie publiziert, die die ersten Beweise für die Wirkungen von oralem Kuh-Colostrum (Biestmilch) auf die Darmpermeabilität liefert. Die Probanden mussten sich solange stark belasten, bis eine bewegungsbedingte Temperaturerhöhung und eine stressbedingte Verschiebung der intestinalen Hormonprofile nachzuweisen war. Diese vorab durchgeführten Belastungseinheiten bestimmten dann die Dauer der Belastung während der Studie und die Parameter, die zur Messung ausgewählt wurden.
Neben den Untersuchungen an Probanden wurde auch mit verschiedenen Darmschleimhaut-Zelllinien experimentiert. Auf diese Weise konnten die dem schützenden Effekt zugrundeliegenden Prozesse von Colostrum/Biestmilch genauer analysiert werden. Die Zellen wurden Stressfaktoren wie z.B. erhöhter Temperatur exponiert, denen die Darmzellen von Athleten ebenfalls ausgesetzt sind. Dies erfolgte mit und ohne den Zusatz von Colostrum/Biestmilch. Unterschiedliche für die Zellfunktion kritische Parameter wurden untersucht.
Kurze Zusammenfassung der Studienergebnisse
Die Ergebnisse waren erstaunlich und motivieren hoffentlich andere, diese Substanz ernst zu nehmen und weitere Studien durchzuführen. Alle Ergebnisse lassen stark annehmen, dass Biestmilch/Colostrum die Stressresistenz der Epithelzellen erhöht. Die Zellen zeigten sich temperaturresistenter. Der Zelltod wurde signifikant verringert. Zusammenfassend zeigen die Untersuchungen, dass Biestmilch/Colostrum in einem physiologisch relevanten Belastungsmodell zur Aufrechterhaltung der Intergität der Darmschleimhaut beiträgt. Weitere Studien, die Probanden über einen längeren Zeitraum unter starker Belastung und in extremer Hitze beobachten, scheinen gerechtfertigt, um die in dieser Studie nachgewiesene Wirksamkeit von Colostrum/Biestmilch für den Ausdauerathleten nochmals zu untersuchen und zu bestätigen.
Referenzen:
Marchbank T, Davison G, Oakes JR, Ghatei MA, Patterson M, Moyer MP and Playford RJ: The nutriceutical bovine colostrum truncates the increase in gut permeability caused by heavy exercise in athletes. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol 300: G477-G484, 2011.
Kay L. Pals KL, Ray-Tai Chang RT, Ryan AJ, Gisolfi CV: Effect of running intensity on intestinal permeability. J Appl Physiol 82:571-576, 1997
Abkürzungen:
* Playford verwendete für seine Studien das Colostralmilchpulver der Fonterra Kooperative aus Neuseeland. Biestmilch ist aus dem selben Rohstoff gemacht.
**NSAID, nonsteriodal anti-inflammatory drug





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