oder eine Geschichte, die der Sport nicht schreiben sollte.
Am Wochenende fanden in Sindelfingen die Deutschen Junioren-Leichtathletikmeisterschaften in der Halle statt. Elija war angetreten, um die 800 Meter auf der Bahn zu gewinnen. Die Vorläufe waren ein Kinderspiel und einem Sieg stand eigentlich nichts im Wege. Ich war schon übermütig – was man natürlich nicht sein sollte – mit Elija eine schöne Schlagzeile für BIESTMILCH zu schreiben.
Es kam aber alles ganz anders.
Elija hatte schon Pech bei seiner Anreise von Berlin nach Stuttgart. Die gute Lufthansa hatte seine Gepäck nicht an Bord genommen, also keine Schuhe für den Lauf, keine BIESTMILCH, keinen BIEST BOOSTER für das Rennen. Dieses Unglück löste sich in Wohlgefallen auf.
Doch die Tragik der Geschichte ereignete sich im Finale der 800 Meter gestern, am Sonntag.
Es rief in meinen Kopf einmal mehr den Satz von Bengt Kayser* auf: “Sport ist per se unfair”.
Diese Aussage bezog sich nicht auf Doping oder brutales Verhalten gegenüber Mitbewerbern, sondern auf die Tatsache, dass die physiologischen Grundlagen jedes Athleten unterschiedlich sind, d.h. an der Startlinie sind niemals alle gleich. So muss mancher für einen Sieg härter trainieren als ein anderer. Es gibt auch Athleten, die trotz härtester Arbeit nie gewinnen werden und solche, die keinen Profi-Sport ausüben sollten.
Im Sport gibt es – ungeachtet, welche Sportart ein Athlet ausübt – keine Chancengleichheit. Was für uns alle gilt, aber nicht so auffällt, da es meist nicht um Sieg oder Niederlage geht.
Gestern allerdings bekam das Wort Fairness eine ganz andere Note. Im Sport wird Fairness ganz hoch gehalten. Sportler gelten als Vorbild für uns normale Bürger. Dieser 800 Meterlauf war nun alles andere als fair. Aber das kümmert eigentlich keinen. Das mag das tragische an dieser Geschichte sein. Es wird gesehen und gleichzeitig übersehen. Es gehört einfach dazu. Schon gleich nach dem Start kam es zu einem Gerangel, die Ellenbogen wurden ausgefahren, was unter “ist üblich” abgehakt wird.
Aber dann hat es Elija so böse erwischt, dass an einen Sieg nicht mehr zu denken war. Ein Tritt in den Oberschenkel, am Sehnenansatz des Quadriceps, dort wo ein Schlag besonders schmerzhaft ist, ließ den Traum zerschellen. Ein Lauf auf diesem Niveau kann mit dieser Verletzung nicht gelaufen werden, trotzdem lief Elija noch langsam über die Ziellinie.Im Fachjargon spricht man von Pferdekuss und meint damit nicht das Streicheln einer sanften Pferdenüster. Letztlich muss Elija noch froh sein, dass er keinen Muskelfaserriss erlitt.
Dann wäre die Saison 2022 wohl verloren gewesen.
Elija ist ein junger Mann mit Charakter und tiefer Herzlichkeit, deshalb ist er auch bei uns im BIESTMILCH Team. Er legte den Vorfall “unter wieder etwas gelernt” zu den Akten.
Ich habe mir das Video genau angesehen, Slow Motion und hinein gezoomt. Im Gegensatz zum Ausfahren von Ellenbogen, gut zu sehen, aber eher harmlos, bleibt dieser Vorfall ungesehen und ungeahndet, also schweigt auch Elija und blickt nach vorne.
Was lehrt uns das? Sport hat mit Fairness nichts zu tun, Sport ist Unterhaltung, ein Platz für viele grosse Egos mit Minderwertigkeitsgefühlen, ein sehr raues Pflaster, je weiter man die Karriereleiter hinaufklettert. Ich denke, dass sollte jedem bewusst sein, der diese Berufslaufbahn einschlägt. Dieser Beruf ist gnadenlos und unerbittlich und trägt nach außen für uns ein hübsches hehres buntes Kleidchen.
Elija wird sich rasch erholen, den er nimmt ja BIESTMILCH 🙂 … Und vor allem hat er im Gegensatz zu seinem Konkurrenten, der als Sieger den Platz verließ, Stil.
Ich möchte zum Abschluss dieses kurzen Textes noch einmal wiederholen: Sport ist nicht fair, in keiner Beziehung. Knüpft Ihr mich wegen dieser Aussage am den nächsten Baum? Die Zeiten der Pandemie haben uns ja mehr als je zuvor klar gemacht, das Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit leere Worte sind, die nichts anderes tun sollen als uns “braven Bürgern” ein schlechtes Gewissen einzujagen.
Elija bleibt trotz sportlicher Unfairness ein aufrechter Charaktere, bleibt dem Sport treu, aber verlor einmal mehr seine jugendliche Unschuld und vielleicht Naivität über den Lauf dieser Welt, dieses Lebens im Allgemeinen.
Jetzt erst recht: Es wartet der Meistertitel in Freiluftsaison!
*Bengt Kayser · Faculty of Social and Political Sciences · Faculty of Biology and Medicine in Lausanne