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Von Mario, der meinte nicht laufen zu können
17-08-2006965Views2Comments

Von Mario, der meinte nicht laufen zu können

Eines möchte ich noch vorweg schicken: Ich habe einige Dinge sehr grundlegend geändert, sowohl im »körperlichen Training«, als auch im mentalen Bereich. Und dies führte nun, ganz offensichtlich jedenfalls, zu einem (!) erfolgreichen Rennen.
Nicht mehr und nicht weniger. Das sage ich deshalb, da ich weiss, wie »dünn« das Eis noch ist…und »neue Wege« an Anfang immer leichter zu funktionieren scheinen: man erhält allein durch den veränderten Ansatz schon so viel neue Motivation, dass die Dinge einfacher von der Hand gehen.

Welche enormen Möglichkeiten der Bereich des mentalen Trainings bietet ist ebenso unumstritten, wie für die meisten unter uns »nicht greifbar«.
Unser Vetriebsleiter bei Skinfit ist auch studierter Psychologe. Da ich immer wieder mit Robert darüber sprach, welche »enormen« Leistungen mit Hilfe der »richtigen« mentalen Einstellung möglich sind, haben wir irgendwann das Projekt »Mario, der meint nicht laufen zu können« ins Leben gerufen.
Wir glauben mittlerweile erkannt zu haben, dass es beim mentalen Training viel weniger darum geht, über sich hinaus zu wachsen, als viel mehr darum, »einfach nur« seine Fähigkeiten umzusetzen.
Das klingt einfach, ist es auch eigentlich…aber eben nur, wenn man sich einmal von seiner liebgewonnenen, zementierten Sicht auf sich und sein Umfeld verabschiedet. Das klingt wiederum einfach, ist aber letzen Endes ein schwieriger Prozess…sehr schwierig, wie ich nach wie vor finde.

Ein Beispiel, Natascha Badmann, Hawaii 2005

Im Ergebnisbogen steht sie wie so oft hinter der Ziffer „1“. Business as usual sozusagen. Doch welch unglaubliche mentale Leistung sie in diesem Rennen vollbrachte, wird erst auf den zweiten Blick deutlich. Natascha galt als bestenfalls durchschnittliche Schwimmerin, exzellente Radfahrerin, die dann noch ihren Vorsprung mit einem stabilen Marathon nach Hause rennen kann… niemand hatte sich bislang ernstlich Gedanken darüber gemacht, was passieren könnte, wenn Natascha nach dem Radfahren nicht an Position 1 ist und »nur« noch den Vorsprung zu verteidigen braucht.

Also noch mal: Natascha = schlechte Schwimmerin, ausgezeichnete Radfahrerin und durchschnittliche Läuferin.

Die nur logische Antwort auf eine Rennsituation in welcher Michelie Jones (gute Schwimmerin, starke Läuferin) bereits nach dem Radfahren führt (so geschehen Hawaii 2005), kann eigentlich nur lauten: Michelie Jones gewinnt das Rennen, Natascha wird bestenfalls zweite.
Wäre die Sicht Nataschas auf ihr sportliches Leistungsvermögen das gleiche gewesen, wie das der meisten Beobachter, wäre das Rennen auch sicher so ausgegangen. Ist es aber nicht! Weil Natascha sich selbst nie als bestenfalls mittelmäßige Läuferin eingeschätzt hat… sondern, weil sie von sich als Athletin im Ganzen überzeugt ist.
Bis zu diesem Rennen war sie nie darauf angewiesen gewesen, ihr volles Potential auszuschöpfen, da gutes Radfahren für den Sieg bereits ausgereicht hatte. Und nun kam jemand daher, der ihr diese »Gewissheit«ins Wanken brachte… und was passiert: Sie gewinnt trotzdem. Weil es ihr weitestgehend egal war. Es interessierte sie schlicht und ergreifend nicht, dass da nach dem Radfahren jemand schneller war…alles was sie machte, war, ihre an diesem Tag bestmögliche Performance zu zeigen. Sie ist nicht daran zerbrochen, nach dem Radfahren nicht zu führen.

Was ich damit sagen möchte:
Sie ist an diesem Tag nicht durch mentale Überlegenheit über sich hinaus gewachsen, sondern sie hat an diesem Tag, genau wie in jedem anderen Rennen, die für sie an diesem Tag bestmögliche Leistung erbracht. Fertig.

Zurück zu unserem kleinen, für den Weltsport unbedeutenden, für mich aber wichtigen Projekt…


Bei mir war die Lage immer ziemlich anders, bzw. ich hab sie immer anders gesehen. Sehr guter Schwimmer, sehr guter Radfahrer und nach meiner Meinung mittelmäßiger Läufer, bei längeren Distanzen sogar schlechter Läufer. Problem nahezu immer: der limitierende Faktor »ist die Luft«. Oft Seitenstechen beim Laufen, Lungenbrennen etc.
Tatsächlich bin ich jedoch ein einziges mal einen welligen dlv-vermessenen Straßenzehner in 33:37 gerannt. Sicher nicht Weltspitze, aber sicher auch weit davon entfernt, von einem schlechten Läufer zu sprechen.

Das Zustande kommen dieser Bestzeit kurios.

Ich war Mittags noch 50 km Rad gefahren und Start des Laufes war Abends um 19.30 Uhr. Ich aß nachmittags noch zwei Stücke Sahnekuchen und war noch ziemlich müde von meiner Geburtstagsfeier am Tag zuvor…legte mich dann gegen 17.30 Uhr nochmals, eigentlich nur für 20 Minuten, hin und verpennte. Um 18.30 Uhr wurde ich wach und musste noch 30 km zum Start fahren (ich hatte den Teamkollegen zugesagt zu kommen). Papa fuhr mich dann hin, und ich kam nur wenige Minuten vor dem Startschuss an und rannte eigentlich direkt los. Also im Grunde eine völlig unideale Konstellation für einen Bestzeitenlauf. Bereits Radgefahren am selben Tag, Tags zuvor gefeiert, zwei Stücke Sahnetorte und zu Guter Letzt noch verpennt.
Und doch hatte ich einen „unglaublichen“ Lauf und keiner wusste, wo das nun her kam. Ich erklärte es mir damals mit dem vielen Rumpftraining und den endlich gut passenden neuen Wettkampfschuhen. Doch heute sehe ich, dass das allerhöchstens winzige Komponenten, sicher aber nicht die ausschlaggebenden Faktoren für diesen, meinen besten Lauf gewesen sind.
Der weitaus entscheidendere Punkt war sicher: Ich hatte keine Zeit den Lauf wichtig zu nehmen und viel darüber nachzudenken. Diesem Lauf schenkte ich im Vorfeld keine besondere Beachtung. Ich bin hingegangen und bin schnell gelaufen, ohne es geplant, ohne es gewollt zu haben. Und nicht, obwohl ich es nicht geplant hatte, und nicht, obwohl ich es nicht besonders gewollt hatte an diesem Tag, sondern gerade weil es weder geplant noch gewollt war …ich hatte weder Seitenstechen noch Atembeschwerden (trotz Sahnekuchen (!)), weil ich innerlich entspannt und locker war. Damals noch durch Zufall!

Die Erkenntnis also, dass ich prinzipiell die körperliche Fähigkeit habe schnell zu rennen, versuchten wir dann umzusetzen, um mir in Triathlon-Rennen (gerade über längere Distanzen wie Mittel-und IRONMAN) die Passivität beim Laufen zu nehmen.
Meine Selbstwahrnehmung war: Schwimm schnell, fahr schnell Rad und dann hoff’, dass nicht mehr allzu viel beim Laufen passiert, anstatt zu sagen, sie zu, dass Du ein maximal gutes Ergebnis rausholst.

Im Grunde sollte es so sein: Es interessiert überhaupt nicht, welche Athleten noch im Rennen sind, wer zu welchem Zeitpunkt vorne ist, sondern es interessiert ausschließlich, wer am Ende vorne ist. Diese Sicht auf ein Rennen hat einen entscheidenden Vorteil: Nur weil mich auf dem Rad, entgegen meiner eigenen Erwartung, doch jemand (oder mein größter Konkurrent) überholt hat, heißt das ja noch lange nicht, dass ich das Rennen bereits verloren habe.

Was haben wir nun geändert?
Eigentlich nur zwei kleine Dinge:

a) Ich habe über ca 3-4 Wochen etwa 10 Minuten am Tag „Fokussierungsübungen“ (also ganz „simpel“ eigentlich. Vorstellung von drei Gegenständen in Form, Farbe und Größe und Hören auf Geräusche…etc.) gemacht, um zu lernen »loszulassen« und mal »runter zu kommen«. Später haben wir dann den Bogen zum körperlichen Training und zum von uns ausgeguckten Rennen gespannt.

Ziel war es durch diese Übungen, den Zustand, den man als „Flow Gefühl“ kennt, zu konservieren und während des Rennens reproduzieren zu können.
Dazu bedurfte es aber einer weiteren kleinen Änderung…und da ergab es sich, dass Macca in dieses unser »Planungsvakuum« trat und extrem weiterhalf.

b) Um nämlich positive Erlebnisse »herholen« zu können, muss man diese ersteinmal gehabt haben. Wieder eine ziemlich simpler Schritt, aber wer wie ich nahezu nie im angestrebten »Wettkampftempo« trainiert, dem wird es schwer fallen, hinreichend positive Trainingserlebnisse gesammelt zu haben, um am Wettkampftag sich auch auf seine Stärke verlassen zu können. (Übrigens. Meistens macht man in den Disziplinen in denen man seine persönliche Stärke sieht, nämlich sehr wohl intensive Einheiten und trainiert im Wettkampftempo. Oftmals aber eben kaum oder gar nicht in der vermeintlichen schwachen Disziplin).

Nach Roth hatte ich das Glück einen ziemlich entspannten Tag mit Macca bei Susann verbringen zu können. Wir haben viel diskutiert und erzählt und irgendwann ergab es sich, dass mir Chris bei der Trainingsplanung half, und wir einen Rahmenplan für mich aufstellten. Der Kernunterschied zu allem, was ich bislang an Trainingsplanung gesehen hatte: Keine (!) Einheit dient nur der Trainingseinheit an sich oder dem Füllen von Wochenvorgaben oder ähnlichem. Jede Einheit für sich ist ein Mosaikstein, der hilft, aufkommende Fragen im Rennen zu beantworten. Der Rest ergibt sich von selbst. Man wird am Ende an der Startlinie stehen und ausreichend lange Einheiten, harte Einheiten, Koppeleinheiten etc. gemacht haben, obwohl man in manchen Wochen nicht auf »seine Wochen-Km gekommen ist« oder ähnliche verquerte Triathleten-Gedanken…

Susann

Susann

Susann is the biest prototype and head of the team. She is Austrian, has studied medicine, meaning she is a medical doctor and the Biesters' alpha wolf. Susann continuously produces new ideas, is strong in making concepts and is practically always ON FIRE. Without her BIESTMILCH wouldn't be where and what it is today, and anyway - not possible.

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Doping: no moral conclusions possible!

2 Comments

  1. Von Mario, der meinte nicht laufen zu können

    Eines mchte ich noch vorweg schicken: Ich habe einige Dinge sehr grundlegend gendert, sowohl im krperlichen Training, als auch im mentalen Bereich. Und dies fhrte nun, ganz offensichtlich jedenfalls, zu einem (!) erfo

  2. >> Aloha vom schlecht Schwimmenden, mittelmäßig Radelndem und ganz gut Laufendem Biest Kjell << Komme gerade von einem "Trainingshalbmarathon" (www.heldenzentrale.de) oder auch "Way to Kona Mosaikstein" wieder und habe zwar nur an meiner Stärke gefeilt, aber der Fall Mario kommt mir sehr bekannt vor. Nur stehen bei mir die Vorzeichen anders. Im Triathlon bin ich heil froh aus dem Wasser zu sein und fast schon erleichtert auf dem Rad keinen Platten (schon 4 Stück in Wettkämpfen) oder sonstige Panne zu haben, um bei meiner "Spaßdisziplin" Laufen Athletenpicking (im Grunde meine Stärkste Disziplin;-) zu betreiben. Mein Weg nach dem Erkennen der Wahrheit lag daran mit allen und jedem über Schwimmen zu sprechen und Informationen aufzusaugen. Andere Sportler beim Schwimmen zu beobachten und ständig mich selbst zu analysieren. Was allerdings nicht immer klappt! Aber da gibt es Tage im Wasser und auch auf dem Rad, einfach Klasse und sowas hat ich vorher nie! Des weiteren Arbeite ich bewusst in Schwächephasen im Training oder Alltag an mir und meiner akuten Einstellung zur Situation und möglicher Umleitung des Problems in nutzbare Energie. Dazu versuche erstens diese Situation zu erkennen, die Situation einzuordnen und wenn möglich sinnvoll abzulenken. Dabei immer in mich horchen und der Kommunkation im Unterbewußtsein folgen. Klingt alles ziemlich abgefahren, aber mir hilft es und ich hoffe damit weiter wachsen zu können. Der dritte Platz von heute wird als Motivator und der Wettkampf als kleiner Meilenstein zum Ziel 21.10. gesehen und so gewertet! Und eine weitere Erkenntnis, ich komme unter hoher Belastung mit dem "Biestmilchpusher" (Danke Susann) sehr gut klar! Viele Grüße an Mario, Chris und alle Biester und vor allem an Susann! Euer Biest Kjell

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